LIED VON DER

HIMMELFAHRT

 


NACH DER AUFERSTEHUNG CHRISTI, des Herrn,
In der sechsten Woche der Himmelfahrt
Fuhr gen Himmel auf Christus, der Himmelszar,
Ist der Herr aufgefahren gen Himmel.
Begannen zu weinen die Bettelbrüder:
Barmherziger Herr, Himmelszar Du,
Wo verlassest du uns, Deine Armen,
Wem überlassest Du uns, Deine Armen? -

Der Herr spricht, der himmlische Zar:
Nicht weinet, meine Bettelbrüderchen,
Ich lasse euch einen goldenen Berg,
Ich lasse euch einen Honigfluß.
Könnt ihr dann über den Goldberg gebieten,
Den Fluß aus Honig ausschöpfen,
Um unter euch dann gut zu verteilen?
Aber die Bettelbrüderchen,
Lang hielten sie unter sich Rat;
Sie wollten nicht über den Goldberg gebieten,
Auch nicht den Honigfluß ausschöpfen,
Es nicht dann unter sich teilen -
Die Fürsten und Bojaren würden uns alles nehmen!
Johannes, dem Theologen, kündeten sie:
Ach Du, Johannes Theologos,
Du erzähl dem Herrn Jesus doch
Wohl von uns, den Bettelbrüderchen:
Über den Goldberg können wir nicht gebieten,
Den Fluß aus Honig nicht ausschöpfen,
Es nicht dann unter uns teilen. -

Der Johannes Theologos,
Der erzählt es dem Herrn Jesus dann:
Barmherziger Herr, Himmelszar Du,
Segne Du mich, daß ein Wort ich einlege, Für die Bettelbrüder eintrete.
Nicht laß Du ihnen das goldene Gebirge,
Nicht laß Du ihnen die Honigflüsse,
Nicht können sie den Fluß aus Honig ausschöpfen -
Die Fürsten und Bojaren würden ihnen alles nehmen!
Es stürben dann Deine Bettelbrüder
Am Hungertode und am grauen Froste,
Von vielen würde das Blut gar vergossen.
Laß Du ihnen doch Dein ewiges Wort,
Laß Du sie über die Welt hinwandern,
An Christus, unsern Herrn erinnern,
Vom heiligen Namen sprechen:
Der eine gibt ihnen Schuhe und kleidet sie,
Ein anderer ihnen Almosen gibt,
Sie aus finsterer Nacht errettet,
Sie auf Wege und Pfade leitet,
Und alles im Namen Christi nur,
Und der Rettung nur seiner Seele willen. -

Und es spricht Gott der Herr, der Himmelszar:
Ach Du, mein Johannes Theologos,
Ich schenke dir einen Mund aus Gold
Für dein bewegendes, dein liebes Wort.

Noch neigt sich der Wald zum Walde hin,
Streut in Blättern sich über die feuchte Erd' -
Durch die heilige Rus' die Pilger ziehín,
Loben den Herrn über alle Welt.

 


Russische geistliche Volksdichtung.

E. A. Ljackij, Stikhi dukhovnyje.
Sanktpeterburg 1912, S. 30


 

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